Framing - Wundermittel der Innovation? Wie Framing unser kreatives Denken beeinflusst und weshalb es in Zukunft zu einem der wichtigsten mentalen Werkezeuge für Innovatoren wird. Für den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal wurden rund sechs Milliarden Pfund ausgegeben. Das Ergebnis: Die Reisezeit von London nach Paris hat sich für diese gigantische Summe um lächerliche 40 Minuten verkürzt. Vielleicht wurde hier zu Beginn des Projektes einfach die falsche Frage gestellt. Denn Anstatt zu fragen, wie sparen wir 40 Minuten Fahrtzeit, könnte man sich auch fragen, wie werden diese 40 Minuten für unsere Fahrgäste zur wertvollsten Zeit des Tages? Jetzt sind überzeugende Ideen gefragt: Wie wäre es mit Wohnzimmeratmosphäre, Entertainment Center, kostenloser Massage, Meeting-Abteilen, persönlichem Service für jeden Fahrgast oder vielleicht gratis Essen? Die Liste ließe sich hier beliebig fortsetzen, doch mit einem entscheidenden Unterschied: die Kosten für diese Maßnahmen würden lediglich einen winzigen Bruchteil der tatsächlichen Baukosten betragen. Framing zählt zu den wichtigsten mentalen Werkzeugen, um Sachverhalte aus einer neuen Perspektive betrachten zu können. Denn nur, wenn es gelingt den Standpunkt zu ändern, verändert sich der Blickwinkel auf eine Sache und somit auch die Bedeutung. Die richtigen Fragen zu stellen ist ein möglicher Weg dorthin. Interessanterweise passiert dies hauptsächlich durch Sprache, weshalb Framing nicht nur im Bereich Innovation und Kreativität zum Einsatz kommt, sondern auch in Marketing, Werbung, Politik oder Medien. Doch was ist Framing und wie funktioniert es? Hier ein Beispiel: Sollten Sie beispielsweise im Fernsehen eine Diskussion verfolgen, in der ein Politiker eine „Müllkippe“ kurzerhand als „Entsorgungspark“ bezeichnet, erzeugt dies ein hochwirksames Framing: „Müllkippe“ ruft in unserer Vorstellung gleich zwei negative Assoziationen hervor: Müll wird einfach weggekippt. „Entsorgungspark“ hingegen hat das Zeug dazu, in uns zwei positiv besetzte Vorstellungen wachzurufen: Entsorgung steht für „etwas Sorge tragen“ und Park für eine grüne Umgebung mit viel frischer Luft. Die wissenschaftliche Theorie dahinter: Worte wie „Park“ oder „Entsorgung“ rufen abgespeicherte Erfahrungen (Frames) in unserem Gehirn auf, die ein ganzes Reservoir an überwiegend positiven Erinnerungen aktivieren. Dies passiert größtenteils in einer Geschwindigkeit, die jenseits unserer bewussten Wahrnehmung liegt. Dabei geht es nicht um den Wortsinn von „Park“ in einem lexikalischen Sinn, sondern um visuelle Eindrücke, Emotionen, Bewegungen, Gerüche oder sogar Geschmäcker und Geräusche, die mit diesem Begriff verknüpft sind und in uns ein ganz bestimmtes Gefühl auslösen. Gelingt es, den Frame „Entsorgungspark“ zu aktivieren, erhält eine negative „Müllkippe“ plötzlich eine positive Bedeutung! Kann man sich diesem Framing-Effekt entziehen? Nein, denn wir können nicht nicht framen! Wissenschaftler wie der Psychologe Daniel Kahneman haben in den vergangenen Jahren in unzähligen Untersuchungen nachgewiesen, dass sich diese Prozesse in unserem Gehirn ganz automatisch vollziehen. Wir nutzen den Framing-Effekt bereits seit 20 Jahren als Kreativmethode für Innovationen. Denn es ist faszinierend zu sehen, was etwa mit Menschen passiert, die über lange Zeit für einen Autohersteller gearbeitet haben und plötzlich begreifen, dass sie nun Mobilitätsdienstleister sind. Der Frame „Autohersteller“ wurde im Gehirn dieser Menschen über Jahre oder gar Jahrzehnte mit einer klar abgegrenzten Bedeutung aufgeladen, von der sie sich nicht mehr lösen können. Wird dieser Begriff plötzlich in „Mobilitätsdienstleister“ umgedeutet, geschieht Folgendes: Der alte Frame wird nicht nur neu gedeutet, sondern gleichzeitig erheblich erweitert. Man tritt aus dem alten Frame heraus und erweitert die Möglichkeiten durch einen Perspektivwechsel. Für viele Menschen eröffnen sich neue Assoziationen, die nun einen Zugang zu Ideen ermöglichen, die im Zusammenhang mit dem Vorstellungs-Frame „Autohersteller“ schlicht unzugänglich gewesen wären. Ähnliches passiert, wenn sich ein Kamerahersteller plötzlich als Bilddienstleister versteht oder eine Krankenversicherung als Gesundheitsbegleiter. Die richtigen Worte erweitern den Lösungsraum und lassen mit einem Mal Ideen für Probleme zu, an denen Teams zuvor gescheitert sind. Es ist, als hätten sich Menschen bisher in einem kleinen Raum bewegt. Sperrt man einige Türen dieses Raumes auf, durch die bis dahin noch niemand gegangen ist, vergrößert man den Spielraum. Plötzlich steht das ganze Haus als Lösungsraum zur Verfügung, mit all seinen besonderen Räumen und Werkzeugen, die nun vom Team auf völlig neue Weise genutzt werden können. Eine weitere Möglichkeit, durch Framing Innovationen zu entwickeln, besteht darin, gut gelernte Frames bewusst „bedeutungsoffen“ zu gestalten. Beispielsweise hat fast jeder eine klare Vorstellung davon, was eine Coca-Cola-Flasche aus Glas ist. Sobald Sie dies lesen, wurde bereits der entsprechende Frame in der Vorstellung aktiviert. Nun könnte man bewusst an die „Zerstörung“ dieses Frames gehen und fragen, was die Flasche sonst noch alles sein könnte. Steckt man eine Blume in die Öffnung, wird sie zur Vase, füllt man sie mit Sand vom Strand, wird sie zur Urlaubserinnerung, gerät man mit ihr in einen Straßenkampf, wird sie eventuell zur Waffe. Mit genügend Zeit lassen sich hier Hunderte neue Anwendungen entwickeln. Etablierte Frames zu „knacken“ ist ein bewusster Vorgang und passiert in unserem Kopf nicht einfach so. Wer mit Frames auf diese Weise spielt, findet neue Geschäftsfelder, neue Anwendungen, neue Produktkategorien oder vielleicht sogar neue Wege, Kunden zu gewinnen. Framing ist keine der üblichen Kreativmethoden, sondern eine Art und Weise, die Welt zu sehen! Wer Framing mental beherrscht, kann künftig nicht nur kreativere Spielzüge vornehmen, nein, er kann auch das Spielbrett selbst verändern. Wäre die Branche der Matratzenhersteller beispielsweise ein Schachspiel, könnte man sich fragen, was passiert, wenn ein Unternehmen nicht nur besonders kreative Schachzüge ausführt, sondern gleich das ganze Schachbrett neu gestaltet. In beiden Fällen wäre Schach nie wieder so, wie es einmal gewesen ist. Nun handelt es sich um ein völlig neues Spiel. Diese Vorgehensweise könnte man als disruptive Innovation oder gar als Paradigmenwechsel bezeichnen. Wir sehen uns heute mit immensen Herausforderungen konfrontiert, so dass es nur mit großen Sprüngen gelingt, die gestellten Aufgaben zu lösen. Framing ist das Werkzeug der Wahl dafür. Man sollte nicht vergessen, dass der gesamte Innovationsbereich nichts anderes ist als die Fähigkeit, Altbekanntes neu zu interpretieren, neu zu entdecken und in einem neuen Kontext zu nutzen – also von einem Frame in einen anderen zu wechseln. Elon Musk hat der alten Idee der Rohrpost einen neuen Frame gegeben, indem er sie vom Bereich der „Hauspost“ in den Bereich „Mobilität“ übertragen hat. Also ein Reframing einer alten Idee, um eine bahnbrechende Innovation zu entwickeln: Hyperloop. Menschen werden wie in einer Rohrpost durch Unterdruck auf über 800 km/h beschleunigt, um sie von A nach B zu transportieren. Framing ist eine Schlüsselfähigkeit unseres Denkens, die noch viel zu wenig angewendet wird. Das neue Buch „Think Outside The Frame“ ist eine unterhaltsame Einladung, den Framing-Effekt aktiv zu nutzen.