Glauben Sie nicht alles, was Sie denken! Medien formen unsere Wirklichkeit durch den Framing-Effekt – und das bis zu acht Stunden täglich! Zehn Wege, wie Sie sich künftig eine differenzierte Meinung bilden. Laut einer Studie von Zenith konsumieren Menschen in Deutschland bereits mehr als acht Stunden täglich Medieninhalte. Das bedeutet, dass wir die Welt durch die Brillen von Autoren, Journalisten, Filmemachern, Kommentatoren, Bloggern, Lobbyisten, Werbeprofis oder Nachrichtensprechern wahrnehmen. Dabei übernehmen wir meist unbemerkt ihre vorgefertigten Ausschnitte, Perspektiven, Meinungen, Weltsichten oder auch Ideologien. Mario Pricken, der Autor des Buches „Think Outside The Frame“, hat erstmals 82 erstklassige Framing-Beispiele gesammelt, um zu zeigen, auf welch subtile Weise unsere Weltsicht durch Framing geformt wird. Sollten Sie beispielsweise im Fernsehen eine Diskussion verfolgen, in der ein Politiker eine „Müllkippe“ kurzerhand als „Entsorgungspark“ bezeichnet, erzeugt dies ein hochwirksames Framing. So unscheinbar dieser Begriff einem zunächst vorkommen mag, in unserem Gehirn erzielt er eine erstaunliche Wirkung: „Müllkippe“ ruft in unserer Vorstellung gleich zwei negative Assoziationen hervor: Müll wird einfach weggekippt. „Entsorgungspark“ hat hingegen das Zeug dazu, in uns zwei positiv besetzte Vorstellungen wachzurufen: Entsorgung steht für „etwas Sorge tragen“ und Park für eine grüne Umgebung mit viel frischer Luft. Die wissenschaftliche Theorie dahinter: Worte wie „Park“ oder „Entsorgung“ rufen abgespeicherte Erfahrungen (Frames) in unserem Gehirn auf, die ein ganzes Reservoir an überwiegend positiven Erinnerungen aktivieren. Dies passiert größtenteils in einer Geschwindigkeit, die jenseits unserer bewussten Wahrnehmung liegt. Dabei geht es nicht um den Wortsinn von „Park“ in einem lexikalischen Sinn, sondern um visuelle Eindrücke, Emotionen, Bewegungen, Gerüche oder sogar Geschmäcker und Geräusche, die mit diesem Begriff verknüpft sind und in uns ein ganz bestimmtes Gefühl auslösen. Gelingt es, den Frame „Entsorgungspark“ zu aktivieren, erhält eine negativ besetzte „Müllkippe“ plötzlich eine positive Bedeutung! Eine solche Umdeutung (Framing) ist dann geglückt, wenn der Begriff in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen und von jedermann unbemerkt und häufig genutzt wird. Denn Framing ist eine Art Interpretationsfilter im Gehirn, der uns hilft, Worten, Bildern, Ereignissen oder Geschichten eine gewisse Deutung und somit Bedeutung zu geben. Wir können nicht nicht framen! Wissenschaftler wie der Psychologe Daniel Kahneman haben in den vergangenen Jahren in unzähligen Untersuchungen nachgewiesen, dass sich unser Gehirn dem Framing-Effekt kaum entziehen kann. Zu Recht fordert Mario Pricken in seinem neuen Buch „Think Outside The Frame“ daher: Glauben Sie nicht alles, was Sie denken! Oft genug wollen Werbung, Medien oder Politik nur Ihr Bestes: Sie nehmen Ihnen Ihre eigene Meinung! Die Kernfrage, die sich heute die wenigsten Medienkonsumenten stellen, lautet: Wie unterscheidet man fremde Framings von der eigenen Meinung? So könnte man auch das Konzept des Buches „Think Outside The Frame“ umschreiben. Denn es macht anhand von insgesamt 82 Beispielen aus Werbung, Medien und Politik sichtbar, wie es der sogenannte Framing-Effekt schafft, Fakten für uns bedeutungselastisch in unterschiedlichste Richtungen zu drehen. Dabei sorgt das Buch Seite für Seite für unterhaltsame Aha-Erlebnisse. Wer danach mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht, wird allerorten sowohl positive als auch negative Framings entdecken. Nachfolgend bieten wir Ihnen eine Art mentalen Selbstverteidigungskurs, den der Autor Mario Pricken entwickelt hat: Zehn Wege, wie man seine eigene Meinung auf differenzierte Weise erweitert, stärkt und gleichzeitig mögliche Framing-Effekte durchschaut. Die zehn besten mentalen Judogriffe gegen Framing 1. Eine weit verbreitete Fehlannahme in Bezug auf Framing ist die Vorstellung: Bei mir funktionieren solche „Methoden“ nicht. Wer so denkt, ist besonders anfällig! Gerade gebildete Menschen tappen gerne in diese Falle. Denn Framing ist keine Frage der Intelligenz, sondern von Emotionen. Da Framing-Prozesse meist unbewusst ablaufen, umgehen sie unsere psychologische „Immunabwehr“ und entfalten ihre Wirkung lange, bevor wir es merken. Mentaler Judogriff: Seien Sie wachsam und hinterfragen Sie täglich bewusst die Bedeutung von Worten, Bildern und Geschichten, die Ihnen Stunde um Stunde in Medien dargeboten werden! Bedenken Sie: Es gibt keine unschuldige Kommunikation, Framings begegnen uns überall! 2. Verlassen Sie die Echokammern Ihrer eigenen Weltsicht: Menschen tendieren dazu, sich nur mit jenen Informationen auseinanderzusetzen, die ihr eigenes Wertesystem (Frames) und ihre Weltsicht bestätigen. Das gibt einerseits Sicherheit, macht aber andererseits anfällig für Framing. Wer sich ein möglichst eigenständiges und neutrales Bild über einen Sachverhalt oder ein Thema machen möchte, aber keine Chance hat, dies persönlich vor Ort zu tun, sollte folgenden „Mentalen Judogriff“ anwenden. Mentaler Judogriff: Bedienen Sie sich unterschiedlicher Quellen, die möglichst vielfältige Perspektiven, Haltungen und Ideologien vertreten. Je mehr gegensätzliche Quellen Sie nutzen, desto differenzierter wird das Bild sein, welches in Ihnen entsteht. Welcher Teil des Bildes am Ende tatsächlich wahr ist oder welcher nicht, ist damit natürlich nicht restlos sichergestellt. 3. Wer sein psychologisches Immunsystem stärken möchte, erreicht dies am effektivsten durch Wissen. Nur wer versteht, wie der Framing-Effekt im eigenen Kopf wirkt, kann ihm entsprechend souverän begegnen. Mentaler Judogriff: Nehmen Sie sich die Zeit, um die Wirkmechanismen von Framing zu verstehen, und lesen Sie einige Bücher zu diesem spannenden Thema. 4. Unterhaltung schlägt Information: Humor und andere Formen leichter Unterhaltung sind manchmal weniger harmlos, als wir vermuten. Man weiß heute, dass ungeliebte, komplizierte oder politisch heikle Themen im Gewande der Unterhaltung oder des Humors bei weitem leichter in unsere Köpfe transportiert werden können, als wenn dies in Form von reinen Fakten geschieht. Humor umgeht sozusagen unsere psychologische Immunabwehr und schmuggelt so mit einem Lächeln auf den Lippen Inhalte am kritischen Wächter vorbei direkt in unser Gehirn. Mentaler Judogriff: Achten Sie darauf, welche ideologischen Inhalte Ihnen in Form von Unterhaltung und Humor angeboten werden. Unterhaltung ist selten harmlos. 5. Wiederholen Sie nicht einfach die Frames aus den Medien, bleiben Sie kritisch. Denn eine Müllkippe ist und bleibt eine Müllkippe, da wäre es schade, wenn Sie eine politische Partei oder vielleicht die Verpackungslobby in ihren Interessen unterstützen, indem Sie deren Umdeutung „Entsorgungspark“ in Ihren täglichen Sprachgebrauch übernehmen. Mentaler Judogriff: Wenn Sie einen Frame entdeckt haben, der nicht Ihrer Haltung oder Ihrem Weltbild entspricht, dann streichen Sie ihn aus Ihrem aktiven Wortschatz. Denn sollten Sie ihn in Gesprächen mit Freunden verwenden, verbreiten Sie ihn wie eine Art Grippevirus weiter. 6. Framings können auch in anderer Hinsicht wie ein trojanisches Pferd wirken: Ist es Ihnen gelungen, ein Framing zu erkennen, so bedeutet dies noch lange nicht, dass Sie die Absicht dahinter durchschauen. Cui bono? „Wem gereicht es zum Vorteil?“, lautet die Frage. Mentaler Judogriff: Wenn Sie erkennen wollen, wer der Schöpfer eines gewissen Framings ist, sollten Sie sich die Frage stellen, wer einen Nutzen daraus zieht! Wem nützt es, einen Sachverhalt in dieser oder jener Weise umzudeuten oder neu zu interpretieren? 7. Nehmen Sie sich vor jenen Medien, Personen oder Gruppen in Acht, die Sie vor den Framings der anderen warnen: Denn man kann nicht nicht framen. Jegliche Kommunikation ist Framing. Auch dieser Artikel ist nichts anderes als Framing! Mentaler Judogriff: Achten Sie darauf, welche Intention eine Person, Marke oder Gruppe hat, die Themen, Fakten oder Inhalte umdeutet. Überprüfen Sie, ob Sie das angebotene Framing positiv voranbringt oder durch sanften „Druck“ in eine Richtung zu lenken versucht, die nicht Ihren Werten entspricht. 8. Moralische Überlegenheit: „Wer Tiere isst, ist rückständig.“ Manche Frames aus Politik, Medien oder Werbung versuchen uns zu beweisen, dass wir schlechte Menschen sind! Sie aktivieren unser schlechtes Gewissen, um uns sanft in eine gewisse Richtung zu „schubsen“. Mentaler Judogriff: Vertrauen Sie Ihrem Gefühl und widerstehen Sie solchen Umdeutungen, auch wenn Ihr Gegenüber Sie aus der Position der moralischen Überlegenheit heraus emotional unter Druck setzt. 9. Auch Journalisten, Autoren oder andere Medienmacher sind vor dem Framing-Effekt nicht gefeit. Haben Medienmacher einmal einen neuen Frame in ihr eigenes Vokabular übernommen, werden sie ihn wieder und wieder einsetzen, so dass wir ihm auf unterschiedlichsten Medienkanälen begegnen. Doch nur, weil eine „Umdeutung“ von Fakten ständig wiederholt wird, wird sie nicht wahrer – oder doch? Leider ja! Unser Gehirn nimmt oft wiederholte Frames irgendwann einmal für wahr, haben Studien bewiesen. Dies gilt selbst dann, wenn sie verneint werden: „In unserer Zeitung finden Sie keine Fake News.“ Mentaler Judogriff: Wird gerade wieder einmal eine neue Sau durch das Mediendorf getrieben und es taucht ein neuer Begriff besonders oft auf, dann versuchen Sie, das Wort zu analysieren und seine Ursprungsbedeutung zu verstehen. Beispielsweise „Friedensmission“. Eine Armee marschiert in ein Land ein und bombardiert es über Monate. Doch dieser aggressive Akt wird in allen Medien mit dem Frame „Friedensmission“ versehen. 10. Bis zu neun Stunden Medienkonsum täglich und die meisten von uns merken es nicht einmal. Am effektivsten schützt man sich vor dem Framing-Effekt, indem man den Medienkonsum gezielt einschränkt. Denn man sollte sich dessen bewusst sein, dass jegliche medial aufbereitete Information eine Form von mehr oder weniger wirksamen Frames präsentiert. Mentaler Judogriff: Gehen Sie hinaus in die Welt und nutzen Sie Ihre fünf Sinne, um sich selbst ein Bild von der Wirklichkeit zu machen, selbst wenn es sich nur um Ihr unmittelbares Umfeld handelt.