Wissenschaftler haben kürzlich herausgefunden, sind dann aber wieder reingegangen! Die meisten Menschen glauben, dass es bei einer guten Pointe um humorvolle Unterhaltung geht. Tatsächlich ist der Witz oft nur ein Vehikel, um das psychische Immunsystem von Menschen zu unterlaufen und eine gezielte Botschaft zu platzieren, behauptet Pricken. Bei diesem Vorgang wird das psychische Immunsystem durch starke Emotionen, die Lachen hervorrufen, ausgehebelt. Am Ende vermittelt uns jede gute Pointe eine neue Bedeutung, eine neue Sichtweise auf Vertrautes. Zwei Kinder streiten. Das eine sagt: „Du wurdest ja adoptiert!“ Antwortet das andere: „Na und, mich wollten sie wenigstens.“ Diese Pointe des deutschen Comedians Markus Krebs veranschaulicht sehr genau, wie das Konzept Framing funktioniert: Der erste Satz ruft in uns ein Klischee ab, einen gut eingelernten Frame. Denn alles, was wir über die Welt wissen, wurde in solch kleinen Informationseinheiten im Gehirn abgespeichert. Der Frame „Adoptiert“ etwa wird bei den meisten von uns als problembehaftetes Thema abgespeichert sein. Diese Aussage gibt also eine Richtung vor, ruft beim Zuhörer eine gewisse Erwartungshaltung ab. Der zweite Satz beinhaltet eine Umdeutung dieser Erwartung – professionelle Comedians bezeichnen das als Punch-Line. Das schwierige Thema wird von einer neuen und im vorliegenden Fall sogar positiven Perspektive aus betrachtet. Pricken gibt allerdings zu bedenken, dass nicht jedes Framing automatisch als gelungen zu bezeichnen ist: „Je weiter die Pointe, sprich der neue Frame, von der bisherigen Erwartungshaltung entfernt ist, desto stärker fällt die emotionale Reaktion aus. Und genau darum geht es bei einer guten Pointe und auch beim Framing.“ Der Framing-Effekt besitzt das Potenzial, vertrauten Dingen eine neue Bedeutung zu geben, was unsere subjektive Wirklichkeit auf erstaunliche Weise beeinflussen kann. In Bereichen wie Psychologie, Werbung oder Public Relations wird Framing bereits seit Jahrzehnten mehr oder weniger bewusst eingesetzt, um Menschen neue Sichtweisen zu eröffnen. Nicht immer allerdings, ohne Kritik heraufzubeschwören – das Konzept des Framing wird häufig in die Nähe manipulativer Techniken gerückt. Zu Unrecht, wie Pricken meint, denn ohne unsere Fähigkeit, Dinge umzudeuten, sprich zu framen, gebe es keine Innovation und keine Zukunftsvisionen. Ein Beispiel: Der Bau des Eurotunnels unter dem Ärmelkanal verschlang rund sechs Milliarden Pfund. Das Ergebnis: Die Reisezeit von London nach Paris hat sich für diese gigantische Summe um magere 40 Minuten verkürzt. Vielleicht wurde ja zu Beginn des Projektes einfach die falsche Frage gestellt, moniert Pricken. Denn anstatt zu fragen, wie sich 40 Minuten Fahrtzeit einsparen lassen, hätte man sich überlegen sollen, wie diese 40 Minuten für die Fahrgäste zur wertvollsten Zeit des Tages werden könnten. Als überzeugende Ideen hierfür seien genannt: Wohnzimmeratmosphäre, Entertainment Center, kostenlose Massage, Meeting-Abteile, persönlicher Service für jeden Fahrgast oder gratis Essen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, doch mit einem entscheidenden Unterschied: Die Aufwendungen für all diese Maßnahmen würden lediglich einen winzigen Bruchteil der tatsächlichen Baukosten ausmachen. Wie bei einer guten Pointe zählt auch in diesem Fall ein gelungenes Framing zum entscheidenden mentalen Werkzeug, um einen Sachverhalt aus einer neuen Perspektive betrachten zu können, bestätigt Pricken. Denn nur, wenn es gelingt, den Standpunkt zu ändern, verändert sich der Blickwinkel auf eine Sache und somit auch die Bedeutung. Die richtigen Fragen zu stellen ist ein möglicher Weg dorthin. Eine weitere Variante, durch Framing Innovationen zu entwickeln, besteht darin, gut gelernte Frames bewusst „bedeutungsoffen“ zu gestalten. Beispielsweise hat fast jeder eine klare Vorstellung davon, was eine Coca-Cola-Flasche aus Glas ist. Sobald Sie dies lesen, wurde bereits der entsprechende Frame in der Vorstellung aktiviert. Nun könnte man bewusst an die „Zerstörung“ dieses Frames gehen und fragen, was die Flasche sonst noch alles sein könnte. Steckt man eine Blume in die Öffnung, wird sie zur Vase, füllt man sie mit Sand vom Strand, wird sie zur Urlaubserinnerung, gerät man mit ihr in einen Straßenkampf, wird sie eventuell zur Waffe. Mit genügend Zeit lassen sich hier Hunderte neuer Anwendungen entwickeln. Etablierte Frames zu „knacken“ ist ein bewusster Vorgang und passiert in unserem Kopf nicht einfach so. Wer mit Frames auf diese Weise spielt, findet neue Geschäftsfelder, neue Anwendungsmöglichkeiten, neue Produktkategorien oder vielleicht sogar neue Wege, um Kunden zu gewinnen. Nachfolgend eine Pointe, die demselben Framing-Prinzip wie die Cola-Flasche folgt: Zwei Freunde im Gespräch: „Du bist ein Einzelkind, oder?“ – „Ja, aber ich bevorzuge die Bezeichnung Alleinerbe!“ Auch hier könnte man sich fragen, was ließe sich – außer der positiven Tatsache des „Alleinerben“ – sonst noch alles als spannende Umdeutung des negativ behafteten Begriffes „Einzelkind“ verwenden. Framing ist keine der üblichen Kreativmethoden, sondern eine Art und Weise, die Welt zu betrachten! Humor ist ein wunderbares Mittel, um kreativ zu sein, und Framing der Königsweg dorthin. Man sollte nicht vergessen, dass der gesamte Innovationsbereich nichts anderes ist als die Fähigkeit, Altbekanntes neu zu interpretieren, neu zu entdecken und in einem neuen Kontext zu nutzen – also von einem Frame in einen anderen zu wechseln. Elon Musk hat der alten Idee der Rohrpost einen neuen Frame gegeben, indem er sie vom Bereich der „Hauspost“ in den Bereich „Mobilität“ übertragen hat. Also ein Reframing einer alten Idee, um eine bahnbrechende Innovation zu entwickeln: Hyperloop. Menschen werden wie in einer Rohrpost durch Unterdruck auf über 800 km/h beschleunigt, um sie von A nach B zu transportieren. Framing erweist sich als eine Schlüsselfähigkeit unseres Denkens, die noch viel zu wenig angewendet wird. Das neue Buch „Think Outside The Frame“ versteht sich als unterhaltsame Einladung, den Framing-Effekt aktiv zu nutzen.